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»die perfekte rolle für eine dragqueen«

Das Erfolgsteam von die perlen der cleopatra ist zurück: Oliver Graf (Regie), Sebastian Ellrich (Ausstattung), Annika Dickel (Choreografi e) und Florian Ziemen (musik. Leitung) entführen das Publikum wieder in die glamouröse Welt der Roaring-Twenties. Pailletten, Gold und Glitzer treffen auf präzise Choreografi en und atemberaubende Kostüme_– wieder mit der mitreißenden Musik von Oscar Straus. Straus’ fast vergessene operette hochzeit in hollywood wollen wir nicht nur wiederbeleben, sondern auch ins Heute holen. Der ursprüngliche Konflikt – die gesellschaftlich inakzeptable Liebe zwischen einem Adelsspross und einer Schauspielerin_– hat 2024 an Aktualität eingebüßt. Bei uns ist Mizzi nicht irgendein gefeierter Bühnenstar, sondern eine Dragqueen_– ein Symbol für Selbstermächtigung, künstlerische Freiheit und queere Kultur. Wenn nun der Sohn einer erzkonservativen Politikerfamilie eine Dragqueen liebt, bringt dies das traditionelle Weltbild seines Vaters ins Wanken.

Als Mizzi wird Loreley Rivers am tfn gastieren – die gefeierte Dragqueen, bekannt aus der TV-Show »Drag Race Germany«, bringt mit ihrer Bühnenpräsenz, ihrer künstlerischen Vielseitigkeit und ihrem tiefen Verständnis für Geschlechterrollen und Identitäten alles mit für eine zeitgemäße, faszinierende Mizzi. Im Gespräch mit Intendant und Regisseur Oliver Graf spricht Loreley Rivers über die Bedeutung von Drag für sie selbst, die Rolle und die Operette.

↗ Loreley Rivers, wir freuen uns sehr, dass Sie die Rolle der Mizzi übernehmen. Was reizt Sie an diesem Projekt?
Ganz, ganz vieles. Ich liebe Drag und ich liebe Theater. Und wenn ich das vereinen kann, ist das natürlich das Beste, was passieren kann.

↗ Wie bereiten Sie sich auf Mizzi vor, die zugleich glamourös, witzig und tiefgründig ist?
Ich glaube, da muss ich mich gar nicht drauf vorbereiten. Es kommt einfach aus einem selbst. (lacht) Scherz beiseite, ich nehme wieder Gesangsunterricht. Das sollte dann doch sein. Und ansonsten, was ist Drag, wenn nicht witzig, vielschichtig und glamourös? Also ist Mizzi doch die perfekte Rolle für eine Dragqueen.

↗ Absolut, unterschreibe ich sofort. Wie kann denn Drag ein als traditionsbewusst geltendes Genre wie die Operette und eine Figur wie Mizzi bereichern?
Mizzi als Showgirl, die ausbricht und nach Amerika flieht, das ist ja eigentlich der Big Dream, den man als Künstler_in hat. Oder vielleicht auch als Mensch, der aufwächst und irgendwann merkt, ich bin anders – z. B. queer –, wo finde ich meine Community, wie finde ich den Platz, wohin ich gehöre? Und darum hat Mizzi eigentlich mit dem, wo Drag herkommt, total viel zu tun. Ich denke, dass es dennoch auf eine Figur wie Mizzi nochmal neue Perspektiven eröffnet, wenn sie eine erfolgreiche Dragqueen ist.

↗ Drag wird ja – genau wie Operette – oft als Brücke zwischen Unterhaltung und gesellschaftlichem Kommentar gesehen.
Drag ist absolut beides. Also, ich sage immer, ich nehme mich selbst nicht ernst, aber ich nehme das ernst, was ich tue. Drag soll erst mal Spaß machen und groß und bunt sein, aber natürlich ist alles, was nicht Mainstream ist, auch gesellschaftlicher Kommentar. Man muss vielleicht mit etwas provozieren, bevor es gesellschaftlich anerkannt werden kann. Drag kann aufzeigen: Es gibt andere Lebensentwürfe, Alternativen zu Hetero und Cis. Und da Theater von jeher dazu genutzt wird, der Gesellschaft zu zeigen, was in ihr noch fehlt, und sie zum Nachdenken anzuregen, passt Drag perfekt ins Theater.

↗ Gibt es Themen in hochzeit in hollywood, die Sie persönlich berühren oder die Sie als Dragqueen besonders spannend finden?
Definitiv das Thema Liebe, dass gesagt wird: Nein, du darfst keine Dragqueen lieben. Das steckt immer noch in vielen Köpfen: Das ist männlich, das ist weiblich, und du kannst nur geliebt werden, wenn du eins von beiden zu 100 % bist. Und Dragqueens, die diese Geschlechtszuordnung in Frage stellen, werden daher oft nicht als begehrenswert angesehen.

↗ Glauben Sie, dass so eine Inszenierung auch zu mehr Offenheit für Drag-Kunst beiträgt?
Auf jeden Fall. Und ich fi nde es ganz toll, dass Sie sich gesagt haben, wir holen jemanden, der Drag professionell macht und stecken nicht einfach einen unserer Sänger in Drag. Das wäre ja viel leichter. So spüre ich eine Wertschätzung dafür, dass Drag-Künstler_innen vielleicht etwas mitbringen, was andere Künstler_innen so nicht haben oder noch nicht gelernt haben. Das ist total schön.

↗ Wie sind Sie denn persönlich zum Thema Drag gekommen?
Ich bin über die amerikanische TV-Show »RuPaul’s Drag Race« dazu gekommen. Die habe ich zum ersten Mal mit etwa 15 gesehen und fand es erst mal interessant. Dann habe ich erkannt: Das sind Künstler_innen, die tanzen, singen, spielen, sind witzig, machen ihre eigenen Kostüme, ihre eigenen Haare. Und ich dachte: Wow, das ist krass, was man als Drag-Artist alles können muss. Das hat mich total fasziniert. (Ich war ja schon im Kindergarten total gerne die Prinzessin. Da hieß es aber: Nein, du musst der Ritter sein.) Ich habe Oper und Theater immer gerne gemacht, hatte aber immer das Gefühl, meine Rolle noch nicht so richtig gefunden zu haben. Als ich Drag entdeckt habe, war sie auf einmal da, die Rolle.

↗ Sie waren dann ja auch in der ersten Staffel von »Drag Race Germany« in Deutschland dabei.
Das war total surreal, als wäre ich wieder 15. Ich habe da alles gefühlt, was man fühlen kann: Freude, unfassbar viel Panik und viel Stolz, dass ich es auf ein Level geschafft habe, wo man für so eine Show geeignet ist, und jetzt in der Position bin, meine Faszination von damals vielleicht an ein neues Publikum weiterzugeben.

↗ Also von »einem Vorbild haben« zu »einem Vorbild werden«?
Hoffentlich.

Vita Loreley Rivers

Foto: Daniel Ludwig